Das Siedlungsprogramm der Khasi

Also ging Gauhati los, um sich mit seinen Freunden in der jeden Abend überlaufenden Schenke zu treffen, wo sie immer bei einem Bier über die Zukunft sinnierten.

Dort angekommen, überwältigten ihn fast die verrauchte Luft und der Gestank nach Alkohol und der Ausdünstungen der verschwitzten und betrunkenen Khasi sowie der an der Theke hinterlassenen Notwendigkeiten.

Er hatte es satt, in solcher Enge zu leben, wollte nicht mehr in dieser Stadt leben und sich täglich von allem angewidert fühlen.

Also zwängte er sich mürrisch durch die Menge hindurch, die sich jeden Abend ihres Elends in der Kneipe ihres Elends entledigten, weil sie sich auch nicht wohl fühlten, und traf wie üblich seine beiden besten Freunde, den dicken Lam und den ruhigen Rashid, die schon länger an ihrem Stammplatz saßen und sich das Bier schmecken ließen.

"N’Abend!" sagte er. Die beiden anderen nickte müde. Rashid sah aus, als würde ihm schlecht. "Was ist, alter Kumpel, bekommt Dir mein Anblick nicht mehr?" fragte Gauhati.

Irgendwas muß mit meinem Bier sein, auf jeden Fall bin ich kurz vor dem ..." Er sprang auf, riß auf seinem Weg in die Ecke des Raumes noch zwei andere Leute zu Boden, die ihm im Weg standen, und ließ sich seine Mahlzeiten des Tages noch einmal durch den Kopf gehen. Als alle meinten, er müsse bereits seine Eingeweide mit auf den strohbedeckten Boden geworfen haben, ließen seine Krämpfe immer noch nicht nach.

Lam war zu seinem inzwischen einsamen Freund geeilt, um ihn zu stützen, damit er nicht noch in den Dreck fiele.

Kurze Zeit später raffte sich Rashid wieder auf und sagte mit einem unterdrückten Husten: "Da war einer dieser ekeligen Käfer in meinem Krug. So ein großer blau schillernder. Sogar unserem Stammwirt können wir nicht mehr trauen!"

"Jetzt reicht‘s!" Gauhati rastete aus: "Ich habe diese Stadt mit all ihrer Enge und dem Dreck satt. Warum muß ein anständiger Mann auf Schritt und Tritt aufpassen, daß ihm nicht der Inhalt eines verdammten Nachttopfes auf den Kopf geschüttet wird? Warum müssen sich die Kinder einer Familie mit den Ratten um das Abendessen balgen und sich ihren Schlafraum mit den Kakerlaken teilen? Warum haben so viele Khasi kein Dach über dem Kopf?"

Er war inzwischen auf den Tisch gestiegen: " Warum kann nicht jeder eine Arbeit finden?"

Die Menge um ihn herum war inzwischen völlig still, um die Worte zu hören, die der Zornige Khasi in die erstaunlich gute Akustik des Raumes brüllte. Nur einer der Zuhörer wagte es, diese Stille nach einer scheinbaren Ewigkeit, Beifall zu klatschen. Mehrere stimmten ein. Kurze Zeit später waren alle von ihren Sitzen aufgesprungen und gaben lautstark ihrer Zustimmung Ausdruck.

"Aber was sollen wir dagegen machen?" fragte ein Rotschopf aus einer der hinteren Ecken des Raumes, als es etwas ruhiger geworden war.

Etwas voreilig war Gauhati schon, als er ausrief: "Wir hauen Hier ab und bauen uns eine andere, bessere Stadt!" Doch der erneut ertönende Beifall gab ihm und der Antwort seines Bauches auf diese Frage recht.

Der junge Mann war selbst über sich überrascht. Er hätte sich solche Äußerungen noch wenige Stunden zuvor nicht zugetraut und jetzt stand er vor einer Meute, die er wie Fensterkitt in seinen warmen Händen formen konnte. Er spürte förmlich, wie sie an seinen Lippen hingen. Nur der Rotschopf war noch nicht zufrieden mit den einfachen Antworten. Er fragte skeptisch: "Wann willst Du denn damit anfangen, und weißt Du, wie man eine Stadt plant und Häuser baut?"

Gauhati war von diesen Fragen etwas überrollt, doch Rashid, inzwischen wieder mit Farbe im Gesicht, sprang zu ihm auf den Tisch: "Wir kennen einen Baumeister, der hier in der Stadt für die Reichen die Häuser plant. Und hier in der Kneipe gibt es doch bestimmt Zimmerleute und Maurer und Bergleute, oder?"

Etliche meldeten sich zu Wort, hielten ihr Werkzeug in die Luft oder einfach den Arm hoch. Mit ausgebreiteten Armen brachte Rashid die Menge zur Ruhe.

Also gehen wir zu diesem Baumeister und bitten ihn um einen Plan für die Stadt, den wir dann gemeinsam umsetzen können. Nur gemeinsam sind wir stark!" -–Beifall--

"und wenn wir dem Baumeister die Gelegenheit geben, eine ganze Stadt nach seinen Ideen zu planen, wird er sicher das Angebot nicht ausschlagen, da wäre ja keiner so verrückt, die Gelegenheit seines Lebens wegzuwerfen.

Außerdem: Wenn wir die Stadt ganz von einem Mann planen lassen, dann wird die Stadt scher ganz ohne die Probleme entstehen, die wir hier so haben. Wir würden gemeinsam über die Einhaltung des Plans wachen, immerhin haben wir geübte Gesetzeshüter dabei!"

"Jawoll!" klang es aus der Menge.

"Und auch die Versorgung würde gut klappen, wenn wir von Anfang an an einem Strang ziehen!"

Auch Rashid verfehlte mit seinen Worten nicht die erwünschte Wirkung. Die Menge war begeistert und wollte am liebsten schon hinauslaufen, um mit irgendwelchen Vorbereitungen zu beginnen. Doch Lam, der ruhige, trat vor und sagte mit seiner lauten, ruhigen und tiefen Stimme: "Wir sollten aber noch ein wenig ausharren, bis die Vorbereitung und die Planung soweit fortgeschritten sind, daß wir nicht beim ersten Problem das Projekt abbrechen müssen. Laßt uns von heute an dir Pläne aufstellen und uns täglich mit dem Baumeister treffen, um zu beraten, was zu tun ist."

Alle waren ruhig. – Keiner wollte in dieser Stille seine Stimme erheben. Doch der Rotschopf, der eine Vorliebe für solche Momente zu haben schien, meldete sich wieder: "Ja, das klingt wohlüberlegt, denn so können wir die ersten Klippen schon umschiffen."

 

Da es schon spät war, trennten sich die Leute und gingen nach hause und schliefen sich für den kommenden Arbeitstag aus.

 

Am folgenden Tag gingen die drei Freunde zu Tarq, dem Baumeister, um ihn von der Idee zu überzeugen.

In Tarqs Haus vorgedrungen, wurden sie in den Salon gebeten. Er ließ Tee und gebratene und gewürzte Erbsen bringen, bei denen es sich so gut unterhalten ließ.

Lam, er war von den anderen wegen seiner ruhigen Art darum gebeten worden, trug Tarq vor, was am Abend zuvor passiert war. Er schilderte die Gegebenheiten knapp, aber sehr eindringlich. Tarq war von der Erzählung sichtlich beeindruckt und stellte nicht, wie es sonst seine Art war, Zwischenfragen.

Am Ende stellte Lam die entscheidende Frage: So haben wir uns vorgenommen, euch zu fragen, hochverehrter Baumeister: Wollt ihr unser Planer, der Bauherr einer ganzen Stadt sein?"

Tarq war nicht mehr ganz erstaunt, dachte kurz nach und sagte: "Ja!"

Daraufhin sagte Tarq: "Laßt uns darauf trinken und unseren Handel so besiegeln. Immerhin werden wir bald gemeinsam eine neue Stadt gründen.

In den folgenden Wochen trafen sich die drei Freunde täglich mit Tarq, sie nannten ihre Runde das Komitee. Abends dann gingen sie in die Kneipe, wo sie sich zur Diskussion stellten.

Bei diesen Diskussionen tat sich der Rotschopf, Mahdir, besonders hervor. Mit unwahrscheinlich klarem Blick erkannte er Denkfehler, vergessene Probleme oder andere Schwierigkeiten, die eventuell auftreten könnten. Es dauerte nicht lange, da hatten die anderen Mahdir dazu überredet, seinen Spürsinn direkt dem Komitee zugute kommen zu lassen, indem er als fünftes Mitglied beitrat.

Mit der Zahl Fünf hatte man nun auch die Götter auf der Seite des Siedlungsprojektes.

In der letzten Woche wurden etliche Verträge unterzeichnet, das Wohlwollen der Götter und der Älteren eingeholt und die ersten Materialien für den Anfang verstaut. Der Trek wurde zusammengestellt, wobei hunderte von helfenden Händen sich fanden. Die Gruppe derer, die sich auf die Listen für die neue Stadt eintrugen, war weitaus größer als die der Kneipenbesucher, die an dem besagten Abend, an dem Gauhati die Stadt nicht mehr gefallen hatte.

Am ersten Tag der fünften Woche nach dem ersten Treffen zog der Trek los, um in die neue Zukunft u starten.