Khasi Lum und seine Vergangenheit.

In den Tagen, da die Götter noch auf dieser Welt wandelten, da hatten sie wenig Dinge, mit denen sie ihre Zeit verbringen konnten. Auch hatten sie keine anderen Bedürfnisse, wie wir sie heute haben. Sie kannten noch keine echten Sorgen, und Krankheiten waren für sie noch nicht erfunden. Nach und nach bekamen die Götter Langeweile und wußten mit ihrer Welt nichts mehr anzufangen. Sie kamen in Streit und verließen einander, um sich Freunde zu schaffen, die nach ihren Vorstellungen waren. So kam es, daß unser Gott sich in seiner Höhle an sein Werk machte, die Urväter unseres Volkes zu schaffen. Er arbeitete sieben Tage ohne Unterlaß und schuf so unsere Vorväter, die seine verschiedenen Stimmungen an diesen Tagen widerspiegelten.

Am ersten Tage seines Werkes war er sehr neugierig, was sich aus seinem Plan, einen Gefährten zu schaffen; daher war der älteste, Wei Singh, auch ein Forscher, der sich sofort auf den Weg in die Welt machte, um die Geheimnisse dieser Welt zu erkunden.

Unser Gott war sehr erbost, daß Wei Singh sich sofort von ihm entfernt hatte. Der zweite, Awr Singh, war also von dem Haß erfüllt, der unseren Gott erfüllte, als er an Wei Singh dachte. Awr Singh hatte eine ungeheure Zerstörungswut und richtete in der Werkstatt unseres Gottes ein großes Chaos an. Unser Gott war erschüttert, wie sehr sich sein Zorn in Awr Singh manifestiert hatte, brachte es aber nicht über sich, seinem Sproß wieder das Leben zu nehmen. Diesem jedoch war auch dieser Ausbruch nicht genug. Deshalb zog er aus, um seinen Bruder zu finden, der ihm ja diesen Zorn eingebracht hatte.

Tiefe Trauer überkam unseren Gott. Er ließ sich Zeit, diese Trauer zu beherrschen, da er nun wußte, wie sehr er die Schöpfung der Khasi beeinflussen konnte. Dann schuf er einen weiteren Gefährten, da ja keiner bei ihm geblieben war. Dieser war Lei Singh. Er hatte die Trauer in sich, die unser Gott bei seiner Erschaffung gefühlt hatte, doch auch die Fähigkeit, seine Emotionen zu beherrschen, ward ihm gegeben. Er blieb bei seinem Erschaffer und stand ihm in brüderlicher Art zur Seite. Er redete mit ihm über das gewesene und das, was noch sein sollte. Er machte allein durch seine Gabe zuzuhören unserem Gott wieder Mut. So machte sich unser Gott wieder an sein Werk.

Sein nächstes Werk war von Ruhe, Mut, Sicherheit und Kraft erfüllt. Es war Sao Singh. Er blieb wie sein älterer Bruder Lei bei unserem Gott. Von ihm stammen alle Singhs ab, die seit Urzeiten unser Volk regiert haben. Unser Gott war so froh über sein neues Werk, daß er begann, über Schabernack nachzudenken. Er war voller Lebenslust und wollte seinem Werk eine Krone aufsetzen.

Somit begann er ein neues Werk, an dessen Ende San Singh stand, der als jüngster der fünf Brüder die meiste Lebensfreude verkörpert und sich nicht immer an alle Regeln halten will. Auch er blieb bei seinem "Vater", um ihm sein Leben zu verschönern.

 

Die drei Brüder , die "Löwen" blieben sehr lange bei ihrem Erschaffer und lebten in großer Einheit. Auch Wei Singh kam des öfteren zu Besuch zu seinen Brüdern, um ihnen von neuen Dingen zu berichten, die er in der Welt gesehen hatte.
Nur Awr Singh blieb immer in der Welt draußen, da er seine glücklichen Brüder haßte, die so viel Glück zu teilen hatten. Er fühlte sich von den anderen ausgegrenzt und verstoßen, versuchte aber nicht, seine Brüder zu treffen, um mit ihnen zu reden.

Statt dessen versteckte er sich in der Wildnis, grübelte auf seinen Racheplänen herum und verbitterte vollends. Dort entwickelte er sich zum vielseitigsten der Brüder, doch hatten seine Arbeiten nicht viel Gutes an sich. Er vereinigte zwar alle Eigenschaften der anderen Brüder in sich, glaubte aber auch, alles besser als die anderen zu können. Er gönnte ihnen die Stellung nicht, die sie innerhalb des Pantheons innehatten. All diese Mißgunst entstand in ihm, weil er nichts eigenes hatte, sondern seine Fähigkeiten immer denen eines Bruders unterlegen waren. Er konnte nicht stolz erzählen, wie er eine neue Region auf der Welt erkundet hatte, er konnte nicht berichten, welche neuen Weisheiten er für die neuen Generationen aufgeschrieben hatte, welch großartiges Fest er organisieren wollte, welch starke Hand er in der Herrschaft an den Tag legen wollte. Er war zum Mitläufer verbannt. Und durch seinen Jähzorn war er auch verschrien.

So kam es mit der Zeit, daß sich auch die vier Brüder im Haus ihres Vaters langweilten. Doch konnten sie sich keinen Ausweg aus der Misere denken, da es für sie keine Trennung von den Brüdern gab und auch keine von ihrem Vater. Ihre Stimmung ging immer mehr in die Tiefe. Und so kam es daß unser Gott sich den Kopf zerbrach, wie er ihre Situation verbessern könnte. Und er verglich die Brüder mit den Göttern, die ja alle Geschwister sind. Und er fand, daß er alle seine Söhne nach seinem Vorbild geschaffen hatte. Er hatte sich nicht an seine Schwestern erinnert, die mit ihrer Gegenwart und Andersartigkeit die Zeit zu verkürzen schienen.

Er wollte aber auch, daß seine Söhne ihn zum Großvater machen können, so wie er seinen Vater zum Großvater gemacht hatte. nur wollte er nicht das Risiko eingehen, daß ihnen der gleiche Fehler unterlaufen könnte, den er bei der Erschaffung von Awr gemacht hatte. Sie sollten also nicht die uneingeschränkte schöpferische Macht haben, sondern nur zum Teil am Prozeß der Lebensschaffung teilhaben.

Also erdachte unser Gott die Gefährtinnen der Löwen, die die Kinder gebären sollten, für diese sorgen sollten und sich in allem als Ruhepol der Familie verstehen sollten. Unser Gott erdachte die Frauen in ihrer Rolle und schuf sie für ihre Rolle. Und er schuf sie nach den Vorlieben der Löwen, auf daß diese für immer glücklich werden sollten.

Doch machte sich unser Gott keine Gedanken, was er mit der Fähigkeit zu Nachkommenschaft unserem Volk auch gegeben hatte, den Tod. Denn so ist der Lauf der Dinge. Niemand kann sich selbst gegen diesen schwarzen Gefährten des Lebens ewig wehren.

Also wurden die Löwen älter und älter, sahen Generationen um Generationen heranwachsen und schließlich starben sie nach erfüllten Leben im Kreise ihrer Familien.

Diese Familien jedoch wiesen jeweils den Charakter des Gründers auf, abgeschwächt zwar durch die Vermischung mit den anderen Familien, doch durch Erziehung und Neigung prägen auch heute noch die Familien Wei, Lei, Sao und San die Söhne der Famlienvorsitzenden zu dem heran, was die Familie ausmacht.

Nur die Familie Awr ist nicht in dem Verband der Khasi enthalten, zumindest weiß man von keinem bekannten Mitglied dieser Familie innerhalb der Khasi.

Die Aufgaben, die die Sippen innerhalb des Volkes ausüben, sind immer noch auf die Väter des Volkes und darüber hinaus auf Natrus zurückzuführen:

Die Sippe Wei stellt die Forscher und Erkunder neuer Länder. Diese Familie brachte die erfolgreichsten Händler hervor und entdeckte alle Heimatstätten der Khasi, die noch in Benutzung sind.

Die Sippe Lei stellt die Priester der Khasi, die mit der großen Trauer der Nachfahren Gestorbener umgehen können. Sie übernehmen die spirituelle Führung der Khasi und beraten die Herren der Khasi in den Fragen des Glaubens.

Die Sippe Sao stellt die starken Männer der Khasi. Sie regieren schon seit Anbeginn der Zeit dieses Volk und haben ihm zu Ruhm verholfen. Die Armee wird von den Sao geführt, die Städte von ihnen gebaut, die Herrschaft in jedem Ort ausgeübt.

Die Sippe San stellt die Künstler der Khasi und prägt seit jeher die Kultur. Sie sind in jedem Kreis vertreten, in dem man gewisse Entscheidungen treffen muß, die nicht nur auf der Tradition beruhen.

So stellen alle Sippen etwas bestimmtes dar. Sie prägen ihre Angehörigen von Geburt an zu ihrer Rolle hin, um die wahre Ordnung zu erhalten.

Nur einer der Löwen hatte nun seine eigenen Ideen von der Nachkommenschaft. Fast vergessen von Natrus, hatte er die gleiche Sehnsucht wie seine Brüder: Eine eigene Familie zu schaffen, eine eigene Nachkommenschaft zu erschaffen. Er hatte allerdings auch nicht die Gelegenheit, an den Gedanken seines Vaters teilzuhaben, der seinen Söhnen ja die Gefährtinnen gegeben hatte.
So kam es, daß sich Awr Sing an seiner eigenen Erschaffung orientierte, als er merkte, daß die anderen bereits ihre ersten Söhne und Töchter hatten. Er war außer sich vor Wut, daß die anderen wieder einmal, wie er meinte, von Natrus eher erfahren hatten, wie ein Geheimnis zu ergründen war. Er hatte sich doch schon lange mit diesen Dingen beschäftigt, hatte aber keine Chance mehr gesehen, seine Forschung zu einem Ende zu bringen.
Nun sah er die kleinen Nachkommen der anderen Singh und war wütend. Er, der beste der Singh sollte keine Söhne haben? Er wollte es allen anderen zeigen, daß er der größte Erschaffer der Singh war. Er machte sich auf die Suche nach einer geeigneten Werkstatt mit einer großen und unheimlich heißen Schmiede. Diese fand er in einem fremden Land, in dem die Elben hausten. Es war ein Ort, an dem ein Splitter der Lampen der Götter in die Erde eingeschlagen war, nachdem diese sie zerschlagen hatten. Dort fand er auch das Material, aus dem auch die Khasi erschaffen worden waren: Stein. Nur hatte er ja nicht die Macht des Natrus diesen Stein zu formen und ihm die Energie einzuhauchen, die ihn zum Leben erweckt hätte. Doch der Stein, den War hier gefunden hatte, war so heiß, daß er flüssig war. War konnte ihn formen und die Energie reichte aus, um den Zauber zu wirken, den er brauchte, um seiner Schöpfung Leben zu geben.
Nun besah er sich sein großartiges Werk. Er hatte einen wahren Sohn geschaffen, der seiner würdig war. Ein Riese von Gestalt war es geworden, mit der Kraft des Vulkans, in dem er geschmiedet worden war. Ein riesiger Krieger sollte er sein und die wichteligen Khasi zerschmettern können. Doch wehe, er erkannte, daß die Khasi sich auch in weitere Generationen fortpflanzten. Also brachte er seinem Sohn bei, sich Söhne zu schmieden, die ebenso mächtig sein sollten.

In all dieser Zeit war der Zorn des Awr Singh unbändig. Er schuf auf diese Art eine Rasse von Zornigen Riesen, die mit den Elben, die in dieser düsteren Gegend der Welt lebten, gemeinsame Sache machen zu scheinen.